Sozialismus 2.0 oder Das Neue im Schoß des Alten
Eine neue Generation der Informations- und Kommunikationstechnologien dringt zunehmend in unseren Alltag und verändert ihn genau wie unser Berufsleben. Versprochen werden Arbeitserleichterungen auf den verschiedensten Gebieten. Alles soll einfacher, bequemer und schneller werden. Die Erfahrungen der Beschäftigten sind oft andere: Lohndrückerei, Arbeitsverdichtung, Leiharbeit, um nur einige zu nennen.
Dabei wäre die Zurückdrängung und Überwindung monotoner Arbeiten möglich. Körperliche Belastungen können durch Assistenzsysteme deutlich verringert werden. Unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ werden Visionen von der flexiblen und vernetzten Fabrik der Zukunft entwickelt. Sie soll schnell auf Kundenwünsche eingehen. Produzieren nach Bedarf und damit Schonung der Ressourcen wird möglich. Mehr berufliche Bildung und Weiterbildung, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitserleichterungen werden denkbar.
Was schon immer galt, gilt unter dieses Voraussetzungen erst recht: Eine erhöhte Produktivität ermöglicht eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit und stellt Zeit für Weiterbildung, Kultur, soziale Aktivitäten und Erholung zur Verfügung.
Zugleich eröffnen sich neue Dimensionen einer partizipativen Demokratie.
Zwar findet Planung in unserer Gesellschaft an vielen Stellen und innerhalb transnationaler Produktionsketten statt, leider plant aber jedes Unternehmen nur für sich. So lässt sich die grundsätzlich chaotische Natur des Kapitalismus nicht bändigen.
Es scheint nur eine Ausrichtung für Planung in dieser Wirtschaftsordnung zu geben: Wo sind die Arbeits– und Umweltstandards am geringsten, wie lassen sich Steuern am besten vermeiden? Welche Konkurrenten sollen aufgekauft werden? Wo soll investiert werden und welche Betriebe sind zu schließen? Welche Produkte sollen an den Mann oder die Frau gebracht werden?
Nicht vergessen werden soll dabei, dass derartige, oft ganze Regionen betreffende Entscheidungen von Menschen gefällt werden, die in keiner Weise demokratisch legitimiert sind. Beschäftigte und Bürger haben stets alleine die Folgen zu tragen. Shareholder sind nur an der Mehrung ihres Reichtums interessiert.
Eine immer stärker vernetzte Wirtschaft macht eine demokratische Planung nicht nur möglich, sondern auch notwendig. Im Interesse von Mensch und Natur.
Das alles sind Möglichkeiten. Welche gesellschaftlichen Bedingungen sind erforderlich, damit sie Realität werden?
Welche Folgen sind unter den herrschenden Bedingungen zu erwarten?
Kapitalismus und Digitalisierung
Das Ziel für den industriellen Bereich ist die Individualisierte Massenfertigung mit optimaler Auslastung auch bei Auftragsschwankungen. Der Arbeitsprozess, d.h. die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszeiten der Beschäftigten sollen weiter flexibilisiert werden. Die so genannte „atmende Fabrik“ benötigt Arbeit auf Abruf, um Kundenwünsche in kürzester Zeit zu erfüllen.
Weit fortgeschritten ist die Entwicklung in der Logistik, aber auch im Handel. Die Grenzen von Industrie und Dienstleistung verschwimmen. Der Standort eines Betriebes verliert seine Bedeutung.
Unterschiede der Arbeitsbedingungen, Bezahlung etc. können noch besser ausgenutzt werden. Neue „intelligente“ Systeme für Übersetzung, Sachbearbeitung, Recherche oder Programmierung verändern immer mehr Arbeitsplätze oder machen Arbeit gar überflüssig.
Dienstleistungen werden über das Internet handelbar. Auf so genannten „Crowd-Working“-Plattformen können Projekte an den günstigsten Anbieter eigener Arbeitskraft vergeben werden.
Wie alle Rationalisierungs– und Automatisierungswellen dient auch die gegenwärtige dem Ziel, lebendige Arbeit billiger, möglichst sogar überflüssig zu machen. Die hohen Investitionen sollen sich schließlich schnellstmöglich rentieren. Es ist nicht die Technik an sich, sondern ihre Nutzung zur Mehrung der Profite, die menschliche Arbeit vernichtet.
Nicht die Schonung der natürlichen Grundlagen unseres Lebens und die humane Entwicklung des Menschen stehen im Mittelpunkt, sondern das private Profitstreben.
Geht es nach den Predigern dieses technischen Fortschritts, dann wird die profitorientierte Nutzung der neuen Technologien all das verschärfen, was schon seit zwei Jahrzehnten unsere Arbeitsbedingungen verwüstet:
• das Abbröckeln der Tarifstandards samt Tarifflucht ganzer Branchen,
• die Verlängerung der Arbeitszeiten, die Verdrängung des Normalarbeitsverhältnisses zugunsten von Outsourcing und Prekarisierung,
• die Spaltung der Belegschaften in Kern- und Randbelegschaften,
• die Durchsetzung dezentralisierter und marktgesteuerter Produktion,
• flexible Arbeitszeit- und Beschäftigtenorganisation,
• die Umsetzung indirekter Steuerung mit ihren enormen psychischen Belastungen,
• neue Formen der Kontrolle,
• die weitere Schwächung der Gewerkschaften und die Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben.
Die Entwicklung unter den Schlagworten „Industrie 4.0“, „Büro 2.0“ und "Künstliche Intelligenz" führt sehr oft zu monotoner Arbeit und nicht zu ihrer Bereicherung. Den meisten Beschäftigten droht in mittlerer Sicht eine Abwertung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen. Nur wenige werden sich verbessern.
Arbeit und Anforderungen werden bis ins Maßlose getrieben. Geschaffen wird ein System der permanenten Bewährung. Durch mehr Entscheidungsfreiheit bei gleichzeitiger Verknappung der zur Verfügung stehenden Ressourcen an Zeit und Personal wird noch mehr Druck aufgebaut.
Die Wünsche der BDA (Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände)• Keine Begrenzungen von Befristung und Zeitarbeit • mehr Werk- und Dienstverträge • Betriebsverfassung an höhere Geschwindigkeit bei Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen angepassen, Abbau von • Arbeitszeiten an flexible Anforderungen angepassen: Statt täglicher eine wöchentliche Höchstarbeitszeit • Regelungen zur Einschränkung der Erreichbarkeit oder der Stressvermeidung werden als bürokratisch abgelehnt • Keine Regelungen von Crowdworking und Crowdsourcing, Mindestentgelt-Regelungen seien abwegig • Berufliche Bildung oder Weiterbildung sei Aufgabe staatlicher Bildungseinrichtungen und der Initiative des Einzelnen zu überlassen (entnommen dem BDA-Positionspapier vom Mai 2015) |
Big Data – Big Brother
Der Fortschritt der Informationstechnologien verändert unser Leben grundlegend. Arbeitswelt, Konsum, Kultur und Kommunikation wandeln sich dramatisch. Und alles beginnt mit dem Sammeln von Daten: Big Data.
Technisch ist es heute überhaupt kein Problem mehr, riesige Datenmengen zu erfassen und zu verarbeiten. Die Leistung und das Verhalten jedes Beschäftigten, ja jedes Bürgers, kann nahezu vollständig und detailliert erfasst werden. Die Menschen im Betrieb und in der Gesellschaft werden gläsern. Nahezu mühelos lassen sich gesammelte Daten vergleichen um z.B. Bewertungsprofile zu erstellen oder Prognosen über Leistungsfähigkeit oder Gesundheit anzufertigen.
Mit der Erzeugung, Sammlung und Analyse großer Datenmengen und –ströme entsteht die Fähigkeit zur digitalen Analyse gesellschaftlicher Prozesse und der entsprechenden medialen und massenpsychologischen Steuerung. Und mit dem Ausmaß der digitalen Vernetzung steigt die Anfälligkeit für Angriffe auf digitale Strukturen.
Die Informations– und Kommunikationsindustrie wird von großen weltweiten Monopolen wie Google oder Facebook beherrscht. Die Enthüllungen von Edgar Snowden zeigen, dass auch der Staat kräftig mitmischt. Längst wird das Internet von Militär und Geheimdiensten als Schauplatz künftiger Kriege betrachtet.
Dringende Aufgaben
Eine aktive gewerkschaftliche Interessenvertretung in den Betrieben und Verwaltungen ist notwendig. Ohne Illusionen, auf sozialpartnerschaftlichem Wege bessere Arbeitsbedingungen für Alle erreichen zu können:
• Qualifizierung der Beschäftigten wird zu einer zentralen Frage
• Prekarisierung ist zu bekämpfen
• Eindämmung und Überwindung der Spaltung der Beschäftigten in den Betrieben
• Durchsetzung eines effizienten Beschäftigtendatenschutzes und Persönlichkeitsschutzes. Es muss klar sein, wer Personaldaten
sammelt und wer darüber die Hoheit hat.
• Betriebliche Mitbestimmung muss gestärkt und erweitert werden
• Keine weitere Flexibilisierungen
• Schutzrechte für „Click-“ und „Crowdworker“ , u.a. ein Mindestlohn
• Notwendig ist eine massive Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf 30 Stunden
• Der neoliberalen Verwüstung muss der Kampf für soziale Sicherheit und Demokratie entgegengesetzt werden.
Um diese Forderungen durchzusetzen, reicht es nicht, sich auf Betriebsarbeit zu beschränken. Welche Risiken der neuen Technologien sind gesellschaftlich verträglich? Wie und wo können Grenzen gezogen werden?
Weiterdenken
Wir brauchen Möglichkeiten,
• die Anwendung und die Entwicklungsrichtungen der Technologien gesellschaftlich lenken zu können,
• Mechanismen der demokratischen gesellschaftlichen Kontrolle und Planung.
• „mehr Mut, über die Grenzen der gegenwärtigen Verhältnisse hinaus zu denken“ (Urban, isw-Report Nr.106. S. 11)
Der Kapitalismus hat oft genug bewiesen, dass er systematisch darin versagt, die besten Lösungen für Mensch und Natur zu finden. Er erzeugt Überproduktion und Krisen und bringt Vergeudung und Raubbau hervor. Soziale und ökologische Maßnahmen müssen dem Kapital immer wieder erneut in langen, hartnäckigen Kämpfen abgerungen werden.
Nur das produzieren was wirklich gebraucht wird und lange hält, also die endlichen Naturressourcen schont. Schluss mit dem Verstecken hinter „Betriebsgeheimnissen“. Es muss öffentlich um die beste Lösung gewetteifert werden. Keine Ausweitung, sondern eine stete Verkürzung der Arbeitszeit.
Nur ein Traum? Oder auf Basis heutiger Möglichkeiten machbar?
Effiziente demokratische Planungsprozesse sind mit den heutigen Technologien besser möglich denn je! Die, auch international, stark vernetzte Produktion bietet dafür die materielle Grundlage. Längst geht es nicht mehr um die Frage, ob geplant wird, sondern wie, d.h. in wessen Interesse es geschieht.
Chile: Eine vergessene Erfahrung
Als sich am 12. November 1971 der sozialistische chilenische Präsident Salvador Allende, Chef der seit einem Jahr regierenden Koalitionsregierung „Unidad Popular“ (UP), und der britische Kybernetiker Stafford Beer, Vater der Organisationskybernetik, in Santiago de Chile zum Gespräch trafen, ahnte niemand was daraus entstehen sollte.
Beer stellte Allende eine geradezu revolutionäre Idee vor, an der er bereits mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter seit zehn Jahren arbeitete: Ein System zur computergestützten Planung und Steuerung einer ganzen Ökonomie.
Allende sah schnell, dass dieses Modell in der Lage sein würde, seine Vorstellung einer sozialistischen Wirtschaft mit Leben zu füllen. Zwar waren bereits rund 25 Prozent der chilenischen Industrie vergesellschaftet, aber es wurde immer noch kapitalistisch gearbeitet, ohne dass staatliche Stellen in der Lage waren, planend und steuernd wesentlich eingreifen zu können.
Das Projekt erhielt den Namen „Cybersyn“, ein Kunstwort aus dem englischen Wort für Kybernetik und dem für Synergie. In Spanisch wurde daraus „Synco“. Sein Aufbau dauerte nur vier Wochen. Die technische Basis bildeten das öffentliche Telefonnetz, ein vorhandenes Telex-Netzwerk, spezielle Terminals für die Ein- und Ausgabe von Daten sowie ein staatlicher IBM-Großrechner. Die Terminals wurden mittels Mikrowellenfrequenzen mit dem Netzwerk verbunden. Hinzu kam noch Software zur Datenerfassung und -verarbeitung.
Theoretische Grundlage war Stafford Beers „General Cybernetic Modelling“, was nichts anderes meint als Ablaufdiagramme für komplexe Systeme zu erstellen und sich daran zu orientieren (Stafford Beer, The Brain of the Firm)
Es entstand die weltweit erste dezentrale Realzeitkontrolle einer Ökonomie. Das System lieferte tagesaktuelle Informationen als Grundlage für Entscheidungen auf allen Ebenen.
Chile befand sich zu der Zeit in einer äußerst problematischen Situation. Die Inflation betrug im Sommer 1971 satte 45,9% und stieg bis Ende 1972 auf unglaubliche 163,4% an. Es verging kein Tag ohne Streiks.Die USA-Regierung war Allendes UP äußerst feindlich gesinnt. Kredite wurden gestrichen, die Weltbank und der IWF zu Interventionen gebracht. Zudem brach der Kupferpreis ein, was Chiles Einnahmen stark reduzierte. Die Nationalisierungen verärgerten ausländische Konzerne, wie z.B. die ITT. Christdemokratische Senatoren brachten einen Gesetzesentwurf ein, der weitere Nationalisierungen verhindern sollte.
Boykottmaßnahmen und Streiks diverser Berufsverbände, von Händlern, Bankangestellten und privaten Transportunternehmen spitzten die Situation im Oktober 1972 dramatisch zu. "Cybersyn" erhielt seine Feuertaufe. Das System versetzte die Regierung in die Lage unmittelbar auf das Tagesgeschehen zu reagieren, alle verfügbaren Ressourcen zu erfassen und zu steuern und so den möglichen Schaden erheblich zu begrenzen. Es gelang, die Versorgung der Bevölkerung und der Betriebe einigermaßen aufrecht zu erhalten.
Das Scheitern des realen Sozialismus in Europa - Ein Beweis für die Unmöglichkeit von Planung ?Die zentrale Planung half der Sowjetunion, eine nachholende industrielle Entwicklung zu bewältigen, ohne die der Sieg über den Faschismus nicht möglich gewesen wäre. Sie konnte den Rückstand in Bildung und Forschung überwinden und die enormen Kriegsschäden in kurzer Zeit beseitigen. Das war in der DDR ähnlich. Auch dort gelang es, Bildung und Gesundheitswesen zu entwickeln, soziale Sicherheit für die Bevölkerung zu schaffen. Der Lebensstandard in beiden Ländern wurde lange Zeit spürbar angehoben. Das System der Planung versagte als ab den 70er Jahren die wissenschaftlich-technische Revolution bewältigt werden musste. Die bürokratische Art der Planung verbunden mit technologischen Unzulänglichkeiten führten zu einem zunehmenden Rückstand. In der Sowjetunion entwickelte die Bürokratie eine Eigendynamik an Beharrung, die rechtzeitige Reformen verhinderte. Notwendig wären mehr Flexibilität, Dezentralität und mehr Demokratie gewesen, die die Kreativität jedes Einzelnen freisetzt. Heute sind wir klüger. Ein Blick nach China, das sich als „sozialistische Marktwirtschaft“ versteht: Die zentrale Rolle staatlicher Vorgaben, die bloße Marktmechanismen stark eingrenzen, konnte z.B. in kurzer Zeit einen enormen Ausbau der Solarenergie durchsetzen. |
Zentraler Punkt war der Operationsraum. Dort wurden auf großen Bildschirmen kommentierte Kurven angezeigt, die die Interaktionen zwischen Unterabteilungen der Ökonomie darstellten. Mittelfristig war beabsichtigt, Operationsräume in jeder Industrie und jedem Betrieb einzurichten. Auf Fabrikebene sollten sie durch lokale Arbeiterkomitees geleitet werden. Man ging davon aus, dass moderne visuelle und sonstige Computerhilfen den Leuten ermöglichen würden, ihre Fabriken ohne Spezialausbildung selbst zu leiten.
Von Rama, CC BY-SA 3.0 fr, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=113799169
Wenn auch dieser erste Feldversuch durch den Putsch in Chile vom 11.September 1973 blutig beendet wurde, liefert er doch die Blaupause für einen neuen Anlauf mit den heute zur Verfügung stehenden technologischen und EDV-technischen Möglichkeiten. (Literarisch dargestellt von S. Reh, Gegen die Zeit)
Sozialismus aus dem Rechner oder Towards a new Sozialism (Cockshott / Cottrell)
Schon früh gab es Denker, die die menschliche Arbeit als einzig legitime Quelle von Einkommen ansahen. Hier reihen sich auch Cockshott und Cottrell (CC) ein, die sich explizit auf Marx beziehen. Letzterer wollte alle Güter auf Basis der in ihnen enthaltenen Arbeit verteilt sehen. Die Produktion sollte auf direkter gesellschaftlicher Grundlage organisiert werden, die Produkte nie die Form von Waren im kapitalistischen Sinne annehmen.
Auch die Geldwirtschaft wollte Marx aufheben. Statt dessen sah er, wie es schon Robert Owen vorgemacht hatte, in so genannten „Arbeitsscheinen“ die Lösung. Diese sollten nicht zirkulieren, nicht übertragbar sein, nicht gespart werden können und nur einmal zu nutzen sein.
Jeder erhielte in einer solchen Ökonomie pro Stunde Arbeit einen Arbeitsschein. Für eine Jacke beispielsweise, für deren Herstellung sagen wir zwei Stunden nötigt wären, müsste jemand, der diese Jacke haben wollte, genau zwei Arbeitsscheine verausgaben.
Natürlich ist das etwas ideell gedacht, denn es gibt einige Probleme dabei. Zum einen sind Menschen unterschiedlich in ihren Kenntnissen, Fähigkeiten, Interessen. Dann gibt es nun mal in jeder Gesellschaft unproduktive Arbeiten, die aber für ihr Funktionieren unabdingbar sind, z.B. Ärzte, Verwaltungen, Schüler usw. Und es gibt Leute, die lieber weniger arbeiten wollen und dafür mehr freie Zeit zur Verfügung haben. Auch die Frage, wie man mit seltenen Qualifikationen umgeht oder mit sehr qualifizierten Tätigkeiten muss beantwortet werden. Gleicher Lohn für alle kann zu Unzufriedenheit führen. CC schlagen für letzteres Problem vor, zwar eine Lohndifferenzierung einzuführen, diese aber sehr moderat zu halten, etwa drei Gruppen. Eingeteilt würde man nach Produktivität.
ArbeitswerttheorieDie Arbeit als Quelle des Reichtums hatten vor Marx bereits Ökonomen wie Adam Smith oder Ricardo beschrieben. Für Marx sind „Gebrauchswert“ und „Tauschwert“ einer Ware keine natürlichen Eigenschaften. Ware zu sein ist nach Marx eine gesellschaftliche Eigenschaft. Voraussetzung sind eine gesellschaftliche Arbeitsteilung und die Herausbildung des Privateigentums und damit die Abgrenzung der Produzenten als Privateigentümer. Die Warenproduzenten können nur durch den Austausch in ökonomische Beziehung treten. Die private Arbeit muss sich erst im Nachhinein als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit bewähren - beim Verkauf. „Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Ware - Warenwerte.“ (Marx) Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhältnis oder Tauschwert der Ware darstellt, ist ihr Wert. Die Größe dieses Werts bemisst sich nach der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit für die Herstellung der Ware. Der Wert, ausgedrückt in der Ware Geld, ist der Preis. Im Kapitalismus ist auch die Arbeitskraft eine Ware. Sie kann in der Zeit, für die sie gekauft wird, mehr Wert herstellen als zu ihre Wiederherstellung notwendig ist, verkörpert in den von ihr hergestellten Waren. Das ist die Quelle des Mehrwerts, den sich der Kapitalist als Käufer der Arbeitskraft aneignet. Wo von vornherein Produktion und Verteilung der Güter unmittelbar gemeinschaftlich erfolgen, gab es in der Vergangenheit und gibt es in einer nachkapitalistischen Gesellschaft auch keinen „Wert“. |
Demokratie im antiken Griechenland
Gerne wird heute die parlamentarische Demokratie als optimaler Zustand gepriesen. Nun, da waren sogar schon die Bürger im antiken Griechenland in einigen Aspekten weiter. Allerdings waren Frauen aus den Entscheidungsprozesses ausgeschlossen.
Alle (männlichen) Bürger, egal welchen Standes, kamen bei wichtigen Entscheidungen zusammen. Per Mehrheitsbeschluss legten sie den Weg fest. Die Verwaltungen dieser Gemeinschaften, Städte usw. wurden per Los besetzt, was selbst für die Richter galt. Auf diese Weise konnte jeder damit rechnen, eines dieser Ämter irgendwann ausüben zu müssen. Außerdem verhinderte dieses Verfahren eine Politiker- oder Beamtenkaste.
Aristoteles meinte dazu, dass Wahlen aristokratisch seien und nicht demokratisch. Durch Wahlen werde ein willkürliches Element eingeführt, nämlich die Auswahl der „aristoi“ (Adel) anstelle der Regierung aller Bürger. Macht, von der die Bevölkerung aber ausgeschlossen ist, bewegt sich immer im gleichen Zirkel.Wahlen dienen dann vornehmlich der Machterhaltung der Oligarchie (Herrschaft der Wenigen).
Die antiken Demokratien existierten bis zur Eroberung Griechenlands durch die Mazedonier und Römer, die u.a. die Sklavenhaltergesellschaft durchsetzten.
Ideen für morgen
Natürlich können nicht Millionen Menschen auf irgendeinem Platz zusammenkommen, aber das dürfte mit moderner Technik kein Problem mehr sein. Partizipative Demokratie wäre also auch schon heute möglich.
Mit der Behauptung, alles sei sooo kompliziert, wird das Berufspolitikerunwesen begründet. Eigentlich soll es heißen, dass das Volk zu dumm ist sich selbst zu regieren. Dabei steht im Grundgesetz der BRD der schöne Satz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt.“
Woher hatte denn z.B. eine Physikerin wie Frau Merkel die Qualifikation, Kanzlerin zu sein? Oder woher hat die aus dem Albrecht-Clan stammende Ärztin Frau v.d.Leyen die Fähigkeiten mal Ministerin für Soziales, dann Bundesministerin für Frauen und Jugend, danach für Arbeit und Soziales, Kriegsministerin und schließlich EU-Chefin zu sein? Weitere Beispiele ließen sich sicher mühelos finden.
O-Ton Marx (Karl (Marx, Kritik des Gothaer Programms) „Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an der Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus; ebensowenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessenen sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteil der Gesamtarbeit existieren…. Demgemäß erhält der einzelne Produzent – nach den Abzügen – exakt zurück, was er ihr gibt. Was er ihr gegeben hat, ist sein individuelles Arbeitsquantum… Er erhält von der Gesellschaft einen Schein, dass er soundso viel Arbeit geliefert (nach Abzug seiner |
CC setzen dagegen konsequent auf Volksversammlungen als Prinzip, ggf. virtuell. Die Arbeit aller Ebenen soll auf Volksbefragungen bzw. -entscheiden basieren, wodurch der jeweilige Rahmen gesetzt wird.
Die Macht im Staate geht direkt vom Volke aus, durch Abstimmungen/Volksversammlungen/Räte usw. Einzelne Bereiche werden von Ausschüssen/Komitees oder Beamten geleitet, durch Los bestimmt und nur auf Zeit. Pflicht und Recht jedes (gesunden) Bürgers wäre es, sich an der Leitung des jeweiligen Gemeinwesens zu beteiligen.
Als Beispiel soll das Wohnungsamt dienen. Geleitet wird dieser für Wohnfragen zuständige funktionale Entscheidungsbereich einer Stadt oder Gemeinde durch ein Komitee. Selbiges ist zu bilden aus einer statistisch repräsentativen Menge Bürgern und Gemeinschaften, deren Interessen von den Entscheidungen dieser Behörde betroffen wären. Das Los würde entscheiden wer für die nächste Zeitperiode hineinkommt. Alle Vorgänge dieser Behörde incl. aller Entscheidungen des Komitees sind transparent zu machen und öffentlich.
Eine Anmerkung erscheint uns zu dieser Thematik wichtig: Manche Kräfte propagieren die „direkte Demokratie“ für hier und jetzt und erklären traditionelle Formen von Organisation und Meinungsbildung für veraltet. Unter den gesellschaftlichen Bedingungen von Kapitalherrschaft und kapitalhörigen Massenmedien laufen diese Vorstellungen allerdings auf eine Entmachtung jeglichen Gegengewichts gegen die Kapitalinteressen hinaus. Die Schwächung von Organisationen wie Gewerkschaften und linken Parteien nimmt den abhängig Beschäftigten die einzige Macht, die sie haben.
Kernfrage Eigentum
Eine Frage, die immer und überall zu unterschiedlichsten Vorstellungen führt, ist die nach dem Eigentum. Natürlich spricht nichts gegen privates Eigentum, allerdings sollte es auf den Umfang eigener Nutzung beschränkt sein, z.B. Wohnung/Eigenheim, Konsumartikel usw.
Sozialistisches Eigentum muss dagegen gewährleisten, dass das ökonomische System funktioniert, dass die legitimen Interessen des Einzelnen geschützt sind (z.B. gesunde Umwelt) und dass die Ausbeutung von Menschen und die Zerstörung der Umwelt verhindert wird.
Schließlich muss auch geklärt werden, inwieweit Selbstständigkeit, Grundeigentum oder Eigentum an Ressourcen erlaubt sein sollen. Auch muss diskutiert werden, in welchem Verhältnis individuelle und gemeinschaftliche Rechte zueinander stehen.
Lösbare Probleme
Wie schon erwähnt, schlagen CC vor, die Arbeitszeit als Basiseinheit für die Berechnung der Kosten der Produkte zu benutzen. Um die Kosten der Dinge in Form von Arbeitszeit zu kalkulieren, ist es erforderlich, zu bestimmen, wie viel Arbeit in einer Ware steckt (Arbeitsinhalt einer Ware), direkt und indirekt.
Für komplexe Probleme wie dieses werden schon heute so genannte Input-Output-Tabellen genutzt. Daraus ist dann relativ einfach abzulesen, wie z.B. der Output der einen Industrie als Input in andere Industrien eingeht.
Cockshott/Cottrell befassen sich ausführlich mit den dabei entstehenden mathematischen Problemen und kommen zu dem Schluss, dass, ausgehend von existierenden Rechnersystemen, die Berechnung aller Arbeitszeiten einer Volkswirtschaft in ein paar Sekunden zu bewältigen ist.
Das funktioniert selbstverständlich nur, wenn die Großrechner mit entsprechenden Daten versorgt werden und man sich der Erkenntnisse der modernen Organisationskybernetik bedient. Damit lassen sich, vereinfacht gesagt, eine Fülle zusammenhanglos erscheinender Probleme, die aber demselben Grundproblem zugehören, miteinander in Beziehung setzen, um die Kommunikation und die Regulierung/Lenkung des Grundproblems zu gewährleisten.
(vgl. Teil Chile)
Üblicherweise betreiben Firmen heutzutage ihre Kosten- und Leistungsanalyse rechnergestützt. Unter Verwendung geeigneter Software entsteht ein Modell des Produktionsprozesses, das grundlegende Daten erfasst, wie etwa die aufgewendeten Arbeitsstunden, sonstige Aufwendungen sowie den Bruttoausstoß für einen bestimmten Zeitraum.
Bereits heute wäre es problemlos möglich, auf Basis geeigneter gesamtgesellschaftlicher Daten, ein vorausschauendes Planungsmodell zu erstellen und auch Planvarianten durchzuspielen. Über diese Varianten ließe sich gesellschaftlich diskutieren und abstimmen. Ziele ließen sich formulieren, z.B. Vorrang der Ökologie, Gleichberechtigung, Reduzierung regionaler Unterschiede, Arbeitszeit usw. Beschlossene Ziele wären dann in makroökonomische, strategische und detaillierte Planungen umzusetzen.
Die Menschen einer künftigen Gesellschaft werden abwägen müssen, welche Daten wirklich erfasst werden sollen und was miteinander vernetzt wird. Denn es gilt, die Risiken technischer Fehler, von Sabotage und Missbrauch zu minimieren und den Schutz persönlicher Daten umfassend zu sichern.
Notwendige Übergänge
Da sich eine solche Zukunft nicht per Knopfdruck realisieren lässt, schlagen CC einen dreistufigen Übergangsprozess vor:
1. Die erste Stufe soll der Übergang vom System des gegenwärtigen Shareholder-Kapitalismus zu einer Kombination aus Staatskapitalismus und Unternehmen in Beschäftigtenbesitz sein. Veränderte Eigentumsverhältnisse müssen zunächst einmal überhaupt die Grundlage für weitere Veränderungen und die Voraussetzungen für eine demokratische Planung schaffen.
2. In einer zweiten Phase können dann zunehmend die Mechanismen der demokratischen Planung entwickelt und umgesetzt werden. Dazu muss auch der allgemeine Bildungsgrad gehoben werden und die Fähigkeiten zu rationalem Entscheiden entfaltet werden. Besonders wichtig ist eine gründliche, öffentliche Erörterung aller anstehenden Entscheidungen und ihren Alternativen.
3. Erst in einer dritten Phase kann der Übergang zur Bezahlung in Arbeitszeitgutscheinen erfolgen.
Der Übergang zur dritten Stufe setzt einen grundlegenden Mentalitätswandel voraus. Aus heutiger Sicht kann er nur in einem längeren historischen Prozess realisiert werden.
Welche Rolle in all diesen Übergangsprozessen der Markt und welche die demokratische Planung spielt, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Marktmechanismen zurückgedrängt und überwunden werden, das muss immer wieder neu entschieden werden. Die bisherigen Versuche zum Aufbau des Sozialismus kamen und kommen noch nicht ohne Marktmechanismen aus.
Jede gesellschaftliche Entwicklung ist von Widersprüchen und Interessenunterschieden zwischen Gruppen von Menschen geprägt. Neue Entwicklungen stoßen zunächst auf Skepsis und wollen gut überlegt sein.
Zielkonflikte sind immer auch Konflikte zwischen Menschen bzw. Gruppen von Menschen. Dafür müssen Mechanismen der Aushandlung geschaffen werden, die sich nicht in bloßen Abstimmungen erschöpfen können.
Der sehr weitgespannte Entwurf von Cockshott/Cottrell zeigt: Planung im Interesse der Menschen ist möglich!
Umwelt und Naturressourcen
Cockshott/Cottrell betonen die Bedeutung einer „im Einklang mit der Umwelt stehenden Wachstumspolitik“ (S. 102). Eine Marktwirtschaft ist dazu nicht in der Lage.
Seit der Veröffentlichung von Cockshott/Cottrell hat die ökologische Frage weiter dramatisch an Bedeutung zugenommen. Die Begrenztheit der Ressourcen und die drohende ökologische Katastrophe sind wesentliche Herausforderungen Nur eine sozialistische Planwirtschaft kann dem weiteren ökonomischen Entwicklungsweg Ziele auferlegen, über die demokratisch entschieden werden. Zu den wichtigsten Zielen einer sozialistischen Planwirtschaft in einer bereits industrialisierten Wirtschaft zählen CC das Einschlagen eines ressourcenschonender Entwicklungsweges (S. 93)
(Hier konnte dieses Konzept nur grob angerissen werden. Wir empfehlen die Lektüre ihres Buches)
Exkurs: Eine Zeitreise
Jule Huber nahm ihren Kaffee, den sie sich gerade aufgebrüht hatte und setzte sich vor den Videoschirm. Gleich würde die Live-Übertragung aus dem regionalen Rat für Umwelt und Energie kommen. Es ging darum, das Naturschutzgebiet am Großen See auszuweiten oder die landwirtschaftlichen Flächen zu erweitern.
Nachdem alle betroffenen Bevölkerungs- und sonstigen sozialen Gruppen, wie Umweltverbände, die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft usw. sich eingehend mit dem Problem befasst hatten und ihre Empfehlungen an den Rat weitergeleitet hatten, stand dort heute die entscheidende Diskussion an. Daraus würde eine mehrheitlich gefasste Vorlage für die dann anstehende Abstimmung der Bevölkerung entstehen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wäre dann verbindlich und vom Rat und den zugehörigen Verwaltungen umzusetzen.
Als Umwelttrainerin war sie selbst an dem Diskussionsprozess intensiv beteiligt. Sie sah durchaus ein, dass die Produktionsgenossenschaft gerne die Versorgung der Region verbessert hätte um die Lieferungen aus anderen Regionen zu verringern. Ihre persönliche Meinung aber war, dass die Menschen, die immer mehr freie Zeit hatten, diese Zeit u.a. in einer intakten Natur verbringen sollten. Es war keineswegs klar, wie die heutige Diskussion oder gar die Abstimmung dazu ausgehen werden.
Zur selben Zeit steht Harm Krüger im Operationsraum der Konservenfabrik, die zur LPG gehörte. Er hatte heute Nachmittagsdienst. Sein Blick richtete sich auf den großen Bildschirm vor ihm. Gerade lief die automatische Verifizierung der eingespielten Daten. Es gab keine Fehler, so dass er nach kurzer Sichtung des generierten technischen Protokolls den Zeigefinger auf den grünen Taster am Pult seines Stuhls legte und mit leichtem Druck darauf die Daten für die Produktion frei gab.
Dabei musste er lächeln. Ein Film, den er kürzlich gesehen hatte, fiel ihm ein. Darin war eine Szene, in der eine komplette Produktionsanlage angehalten werden musste um Werkzeuge zu wechseln und Computer neu zu programmieren sowie weitere Einstellungen an den Maschinen von Hand vorzunehmen. Anschließend musste alles wieder gestartet werden. Natürlich von Menschen. So was gab es heutzutage kaum noch. Das System war weitgehend selbst
regulierend und konnte jederzeit auf neue Produktanforderungen angepasst werden. Allerdings war niemand so naiv, zu glauben, Technik sei per se fehlerfrei. So war der Operationsraum-Raum immer besetzt und der Mensch konnte im Falle des Falles eingreifen.
Natürlich war ihre Produktion hier auch verhältnismäßig einfach zu managen. In einer Fabrik für Werkzeugmaschinen oder U-Bahn-Züge war das komplizierter. Dort war wesentlich mehr und spezialisiertes Fachwissen gefordert und die jahrelange praktische Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen.
Die gesellschaftliche Entwicklung ging aber eindeutig in Richtung „Weniger ist Mehr“. Weniger Arbeitszeit, mehr Freizeit, Verringerung der Belastungen durch Arbeit, bessere Aus- und Weiterbildung, weniger Konsum um des Konsums willen, Erhalt und Verbesserung der natürlichen Umwelt. Immer häufiger wurde auch diskutiert, ob und wie ein Ausgleich zwischen den Kontinenten stattfinden sollte.
Jule verfolgte die Schlussstatements im Rat kurz vor der Abstimmung. Der Diskussionsleiter schloss sich als letzter Redner an und stellte zwei grundsätzliche Fragen zur Abstimmung, nämlich ob man für die Erweiterung des Naturschutzgebiets oder für eine Erweiterung der landwirtschaftlichen Flächen an der Stelle sei.
Es gab eine knappe Mehrheit für die Landwirtschaft. Der Diskussionsleiter formulierte einen Vorschlag für die Bezirksvolksabstimmung und schlug ein Datum für die Abstimmung vor. Nach kurzer Diskussion darüber war der Vorschlag akzeptiert und ein Termin festgelegt.
Die Hallenuhr zeigte 15:00 MEZ. Lisa Pauli, Ingenieurin vom Dienst, begann ihre Sachen zusammenzupacken und den Arbeitsplatz aufzuräumen. In dem Moment kam Peter Hauser herein, der die nächste Schicht machen würde. „Tschuldige Lisa, dass ich jetzt erst komme, aber ich bin etwas zu spät von Zuhause weg. Irgendwelche Vorkommnisse?“ „Nein“, war Lisas Antwort, „läuft alles wie am Schnürchen.“ Nach einer kurzen Übergabe, nahm Sie ihre Tasche. „Ich hau dann mal ab, will noch ins Center, etwas shoppen. Ciao.“
Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, so dass sie Peters „Ciao“ kaum hörte. Draußen musste sie nicht lange auf den fahrerlosen Transportbus warten, der sie bis ans Haupttor bringen sollte. Von dort gings mit der Stadtbahn weiter.
An dem Modehaus angekommen, fiel ihr die schicke, modern geschnittene Jacke sofort wieder ins Auge. Sie betrat den Laden, grüßte die Verkäuferin und ging gleich zielstrebig auf das Wunschobjekt zu. Es waren nur noch zwei Größen vorhanden. Gleich die erste Anprobe stellte sie zufrieden. „Passt“, murmelte sie.
Die Verkäuferin hatte sich mittlerweile zu ihr gesellt und fragte nun: „Schon gefunden, was sie gesucht haben?“ „Ja, die soll es sein“, antwortete Lisa und reichte die Jacke der Verkäuferin, die die Jacke in Packpapier einschlug und Lisa reichte. „Macht 4. Die waren sehr begehrt. Na ja, sind ja auch superchic.“ Lisa reichte ihr die Card. Die Verkäuferin buchte die Summe Arbeitsgutscheine ab und reichte Lisa die Karte. „Vielen Dank für ihren Einkauf und Auf Wiedersehen.“ „Auf Wiedersehen“, antwortete Lisa, öffnete die Tür und trat auf den sonnenüberfluteten Gehsteig.
Womit beginnen?
Ein fertiges Modell für das Funktionieren des Sozialismus gibt es nicht. Schon Rosa Luxemburg wies darauf hin, dass die sozialistische Gesellschaftsordnung nur das Produkt der lebendigen Geschichte sein kann. Zu jeder Zeit müssen neue Lösungen für die jeweiligen aktuellen Probleme und Herausforderungen gesucht werden.
Der künftige Sozialismus hat gleichzeitig verschiedene Aufgaben:
• Überwindung der ökologischen Krise und die Durchsetzung ökologischer Nachhaltigkeit,
• Humanisierung der menschlichen Arbeit, die Auflösung des Gegensatzes zwischen geistiger und körperlicher Arbeit
• Einsparung menschlicher Arbeitszeit, um mehr Raum für Bildung, Kultur und praktizierte Demokratie zu schaffen und die Kreativität jedes Einzelnen zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen zu entwickeln.
Wir verfügen heute über etliche Erfahrungen im positiven wie im negativen Sinne und plausible Überlegungen, wie es funktionieren kann.
Planung findet in unserer Gesellschaft an vielen Stellen und innerhalb transnationaler Produktionsketen statt. Sie dient aber immer nur dem einen Ziel: Wie lässt sich der Profit maximieren und wie lassen sich vor allem die Personalkosten minimieren?
Alles fängt mit dem Nächstliegenden an, nämlich dem aggressiven Profitstreben besonders der großen Konzerne, der Banken, der Hedgefonds usw. entgegenzutreten. Die noch vorhandenen sozialen und demokratischen Rechte müssen verteidigt und für ihren Ausbau ist zu kämpfen. Frieden und Abrüstung sind durchzusetzen und die drohende Klimakatastrophe muss verhindert werden.
Der Einfluss von Google & Co auf Politik, Forschung und Lehre, ihr Zugriff auf immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens muss gestoppt werden. Wir brauchen demokratische Alternativen zu diesen mit dem militärisch-industriellem Komplex eng verbandelten Datenkraken. Vorschläge, öffentlich-rechtliche Internetdienste zu schaffen, weisen einen gangbaren Weg. (vgl. Th. Wagner, Das Netz in unsere Hand) Es geht um die Sicherung demokratischer Einflussnahme. Eine drängende Aufgabe!
In diesen Kämpfen muss sich das gesellschaftliche Kräfteverhältnis so verändern, dass die Rechtsentwicklung gestoppt wird und fortschrittliche Reformen durchgesetzt werden können. Mit breiten gesellschaftlichen Allianzen, in denen die Arbeiterklasse, sprich die abhängig Beschäftigten, die entscheidende Kraft ist, kann der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommen. Zugleich gilt es die antikapitalistischen, sozialistischen und kommunistischen Kräfte zu stärken.
Ohne Zurückdrängung der Macht der Konzerne, Banken und Hedgefonds, ohne Eingriffe in die Verfügungsgewalt des Kapitals, ohne Aufwerfen der Eigentumsfrage gibt es keine Möglichkeit, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen.
September 2017
Hardy Kowalzik, (Bremen) Reiner Liebau (Minden)
Herausgeber: DKP Minden
dkp-minden.de
dkp-minden@t-online.de
Literaturhinweise
Programm der DKP
W. Paul Cockshott/Allin Cottrell, Alternativen aus dem Rechner
Anhang zum Buch: http://www.papyrossa.de/inhalte_pdf/Alternativen_Anhang.pdf
Junge Welt, Ausgabe vom 16.02.2013, Interview mit Paul Cockshott, Falsch ist, Arbeitslosigkeit der Auto-
matisierung zuzuschreiben
Stafford Beer, The Brain of the Firm, 1972
BDA, Chancen der Digitalisierung nutzen, Positionspapier der BDA zur Digitalisierung von Wirtschaft und
Arbeitswelt, Mai 2015
Isw Report Nr. 105 Ausgeträumt? Demokratie & Internet
Isw Report Nr. 106 Digitale Arbeit und Industrie 4.0
Horst Kreschnak, Karl Marx und der Weg in die Zukunft. Zwischen sowjetischem Sozialismusmodell und
Marktfundamentalismus
Marxistische Blätter; Nr. 5-2014 und 3-2016
Reh, S., Gegen die Zeit
Marcus Schwarzbach, Work around the clock? Industrie 4.0, die Zukunft der Arbeit und die Gewerk-
schaften
Thomas Wagner, Das Netz in unsere Hand! Vom digitalen Kapitalismus zur Datendemokratie
(V.i.S.d.P.: R. Liebau, Hardenbergstr. 23, 32427 Minden)